Polizeigewalt

Überzogene Einsätze der Staatsgewalt

Das traurige Paradebeispiel für Polizeigewalt ereignete sich am 9. Dezember 2007 hinter der Westkurve des Sechzger-Stadions. Das Amateure-Derby war gerade abgepfiffen und für die anwesenden Löwen galt eine Blocksperre. Eine hitzige Situation, in der nicht jeder fähig war, Ruhe zu bewahren. Die nun folgenden Bilder zeugen von einem Gewaltausbruch der übelsten Sorte. Einheitlich dunkel gekleidete Kampfeinheiten, die sich mit Sturmhauben und Helmen maskierten, verletzen wahllos Löwenfans allen Alters und Geschlechts mit Knüppel und Pfefferspray.

Ähnliches auch am 14. Februar 2011. In der Halbzeitpause des Auswärtskicks bei Erzgebirge Aue stürmen vermummte, einheitlich dunkel gekleidete Personen den Gästeblock, um anwesende Löwenfans wie Tiere durch den Block zu jagen. Dieses Mal wurden auch die baulichen Begebenheiten benutzt und Wellenbrecher bestiegen, um von dort aus mit dem Ellenbogen voran gezielt auf die Opfer zu springen.

In beiden Fällen gingen die unvergesslichen Taten nicht etwa von Fans aus. Vielmehr waren die Agierenden Polizisten – im ersten Fall vom Unterstützungskommando (USK) aus Bayern, im zweiten Fall von der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) aus Sachsen. Beides sind Spezialkräfte der Polizei, wobei Ihr in allen Bundesländern auf die BFE treffen werdet. Da bei uns in Bayern alle Wiesen grüner und der Himmel bekanntlich blauer ist und die Polizisten aus Tradition schon immer zeigen müssen, wie viel “sicherer” es bei uns doch ist, ist es hier stattdessen das USK, das sich um Euch kümmert. Darüber hinaus sind es Einheiten der Bereitschaftspolizei (BePo) mit denen Ihr bei Fußballspielen gerne mal unliebsame Bekanntschaften machen werdet.

Wir wollen Euch im Folgenden einen kleinen Einblick geben, wie sich Polizeigewalt äußert, wie Ihr Euch verhalten solltet und welche Möglichkeiten es gibt, dagegen vorzugehen. Es liegt uns als BLAUE HILFE nicht nahe, Angst und Schrecken bei Euch Fans zu verbreiten. Ihr solltet auch nicht davon ausgehen, dass der Besuch eines Löwen-Spiels automatisch mit Willkürhandlungen der Polizei verbunden ist. Jedoch beziehen sich unsere Ausführungen auf 2 reale Beispiele, die so jederzeit wieder vorkommen könnten und von denen auch Ihr betroffen sein könntet.

Die typischen Erscheinungsformen der Polizeigewalt

Für das Zustandekommen des ersten beschriebenen Falls gibt es auch seitens der Polizei keine vernünftige Begründung. Die Polizei versucht bei Fußballspielen, große – ihrer Argumentation nach unkontrollierbare – Menschenmassen irgendwie in Schach zu halten. Dazu werden Fangruppen beispielsweise von Polizisten eingekreist bzw. eingekesselt oder es werden an Zugängen Polizeiketten aufgezogen. Gerade weil die meisten Polizisten solchen Stresssituationen menschlich nicht gewachsen sind und in Punkto Kommunikation sprachlich und inhaltlich recht wenig auf dem Kasten haben, kommt es immer wieder zu hitzigen Situation. Hier fällt auf, dass es gerade die Polizeieinheiten sind, die keinen kühlen Kopf bewahren und daher die oftmals erwähnte “Deeskalationstaktik” reine Theorie bleibt. Erstes Hilfsmittel ist dann sehr oft das Pfefferspray oder Reizgas. Damit wird ungeniert in die Menge gesprüht, um die Opfer für die nächste Stunde außer Gefecht zu setzen. Dass dieses Distanzmittel aber nicht nur gefährlich, sondern der inflationäre Gebrauch davon auch nicht rechtens ist, muss sowohl Euch als auch den Polizisten klar sein. Pfefferspray ist kein Faschingsgag, sondern eine gefährliche Waffe, für dessen Einsatz sich jeder Staatsdiener rechtfertigen muss. Ist das Pfefferspray dann irgendwann aufgebraucht, lassen die Grünen gerne mal “den Knüppel kreisen”. Was sich im Fanzine-Jargon recht amüsant anhört, wird Euch im Zweifelsfalle einige Stunden im Krankenhaus einbringen. Auch wenn es in den Presseberichten der Polizei anders dargestellt wird, schlägt die Polizei bei ihren Einsätzen nicht nur auf Körper, Beine und Arme, sondern auch auf die Köpfe unbescholtener Bürger. Die Folgen sind weitreichend – von Prellungen über Brüche bis hin zu inneren Verletzungen ist alles dabei. Nicht außer Acht zu lassen ist die Gewalt mit Händen und Füssen, die von der Polizei ausgeht. Ihr solltet dabei wissen, dass die Cops aus beruflichen Gründen Stunden in der Muckibude und beim Kampfsport verbringen und genau wissen, wie sie zuschlagen müssen. Darüber hinaus tragen Sie verstärkte Handschuhe und ein Treffer wird für Euch nicht selten mit einem astreinen Knockout enden! Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass die kläffenden Vierbeiner an der Leine eines Polizisten als gefährliche Waffe gegen Fans eingesetzt werden können.

Ein – aus Polizeisicht handfesterer – Grund, in derart beschriebener Form gegen Fans vorzugehen, ist die Festnahme eines Beschuldigten. Der zweite, eingangs beschriebene Vorfall in Aue begründet sich auf eine solche Festnahme. Damals war es ein vermeintlicher Zündler, oftmals geht es nur um Beleidigungen. Dabei wertet die Polizei Filmmaterial aus ihren Kameras oder den Überwachungseinrichtungen in und um das Stadion aus. Ist ein vermeintlicher Täter ermittelt, soll dieser in der Halbzeit oder beim Abmarsch festgenommen werden. Dazu wird der Täter, der sich inmitten anderer, unbeteiligter Fans befindet, überfallartig “herausgezogen”. Um die umherstehenden Fans zu kontrollieren und sich den Weg frei zu machen, wird wieder vom Pfefferspray, Schlagstock und den eigenen Kampfsportfähigkeiten Gebrauch gemacht. Der vermeintliche Täter wird nicht selten von mehreren Beamten fixiert und dabei auch gerne verletzt.

Aber nicht nur in der Masse, sondern auch wenn Ihr alleine Polizisten gegenüber steht, könnt Ihr das Opfer von Polizeigewalt werden. So z.B. bei Festnahmen. Beliebt ist hier das rabiate Vorgehen bei der Festnahme bzw. der Verhaftung oder das aus der Hand Schlagen Eures Handys bzw. anderer persönlicher Gegenstände. Auch wird davon berichtet, dass sog. Szenekundige Beamte, die nicht durch Schutzausrüstung gesichert sind, in – aus ihrer Sicht – gefährlichen Situationen zum Teleskopschlagstock greifen und einzelne Personen damit angreifen.

Polizeigewalt äußert sich in den allermeisten Fällen in physischer Gewalt. Doch auch ein beleidigender Umgangston, der keinem Polizisten zusteht, gehört heute zum Usus vieler Staatsdiener.

Verhalten gegenüber der Polizei und anderen Fans

Auch wenn es Euch schwer fallen wird – bleibt ruhig! Die gesamte Situation ist meistens sehr zerfahren und die Erfahrung hat gezeigt, dass bei Straftaten aus einer Masse von Fußballfans heraus zumindest ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs gegen die meisten Beteiligten leider obligatorisch ist.

  • Ihr solltet in keinem Fall körperliche Attacken auf Polizisten starten, da dies für Euch mit Sicherheit ein Nachspiel haben wird! Man wird Euch in den meisten Fällen sofort festzunehmen versuchen oder über Videomaterial im Nachhinein identifizieren. Eine Anzeige wegen Körperverletzung wird auf dem Fuße folgen!
  • Solltet Ihr festgenommen werden, leistet keinen Widerstand! Es würde nur dazu führen, dass Ihr von mehreren Beamten traktiert werdet und eine zusätzliche Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erhaltet!
  • Wird einer Eurer Freunde festgenommen, versucht keinesfalls ihn von den Beamten loszureißen oder auf eine andere Art von der Polizei zu befreien. Dies hätte eine Anzeige wegen Gefangenenbefreiung zur Folge!

Es gilt also, einen kühlen Kopf zu bewahren und anstatt sich zu einer Kurzschlussreaktion hinreißen zu lassen, solltet Ihr folgende Tipps befolgen:

  • Prägt Euch die Gesichter der Polizisten bzw. des Polizisten so gut es geht ein. Dies ist leider nötig, da sich – mit Ausnahme des Bundelandes Berlin – die Polizeieinheiten dagegen wehren, durch Nummern oder Namensschilder eindeutig gekennzeichnet zu werden.
  • Wenn es die Situation zulässt, fragt nach dem Namen des Polizisten oder des Einsatzleiters. Diese Auskunft muss Euch erteilt werden, wobei die Erfahrung gezeigt hat, dass sich viele Polizisten daran nicht halten.
  • Wenn möglich, könnt Ihr Euch auch die Kennzeichen der Fahrzeuge merken, in die die Polizisten nach dem Vorfall steigen.
  • Habt Ihr eine Handykamera, versucht die Vorfälle zu fotografieren oder zu filmen. Ihr solltet Euch dabei aber sicher sein, dass Euch die Polizei nicht beobachtet! Die Erfahrung hat gezeigt, dass Fans, die solche Vorfälle filmen oder fotografieren, gerne von der Polizei festgehalten werden und dazu gezwungen werden, die Aufnahmen zu löschen. Filmt – lasst Euch dabei aber nicht erwischen!
  • Versucht, so viele Zeugen wie möglich zu finden. Das heißt auch, Passanten und andere Fans dazu zu bewegen, sich die Vorfälle mit anzusehen. Ihr solltet diese Zeugen auch an Ort und Stelle bitten, Euch ihre Adresse und eine Telefonnummer zu überlassen. Dies erleichtert die Zeugensuche im Nachhinein.

Ihr solltet also niemals selbst gegenüber einem Staatsdiener gewalttätig werden und stattdessen so viel Beweismaterial bzw. Zeugen wie möglich festhalten!

Verfolgung von Polizeigewalt

Die wichtigste und traurigste Erkenntnis zum Thema sei an dieser Stelle vorweggenommen: Wurdet Ihr im Rahmen eines Fußballspiels Opfer von Polizeigewalt, ist es sehr schwierig bis unmöglich, die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Hier wollen wir wieder den Bezug zu den Vorfällen nach dem Ama-Derby herstellen. An diesem Fall und auch an anderen Stellen zeigen sich deutlich die Schwachstellen des deutschen Polizeiapparats.

  • Aufgrund des einheitlichen Erscheinungsbildes und der teilweisen Vermummung der Polizeieinheiten ist eine eindeutige Identifizierung der Polizisten schwer möglich. Im Falle des Ama-Derbys beispielsweise hatte die Staatsanwaltschaft keinen Zweifel daran, dass Übergriffe auf Fans stattgefunden haben. Aus oben genannten Gründen waren die Täter aber nicht zu identifizieren, weswegen das Verfahren zunächst eingestellt wurde.
  • Dieser Faktor wird dadurch bekräftigt, dass die Polizisten in den Sondereinheiten nicht individuell gekennzeichnet sind. Obwohl beispielsweise auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International diesen Umstand beklagt, wehrt sich u.a. die bayerische Polizei vehement gegen eine Kennzeichnung durch Namensschilder oder Nummern.
  • Darüber hinaus gibt es in Deutschland keine unabhängige Behörde, die bei Anzeigen gegen Polizisten ermittelt. Vielmehr sind es die Polizisten und deren Kollegen, die angezeigt wurden, die gegen sich selbst ermitteln sollen.
  • Verbunden mit dem starken Zusammenhalt, der innerhalb der Einheiten herrscht, ergibt sich eine Situation, die eine vernünftige Ermittlung nur schwer möglich macht. Im Zuge der Ermittlungen nach dem Ama-Derby haben diese Umstände beispielsweise dazu geführt, dass Beweismaterial auf mysteriöse Art und Weise “verschwunden” ist!
  • Hinzu kommt, dass in vielen Fällen die Täter zwar ermittelt werden, dann aber nur polizeiintern versetzt werden. Strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden die Polizisten in den wenigsten Fällen!

Abschließend bleibt zu sagen, dass es natürlich nicht unmöglich ist, Erfolge gegen die Polizei zu erringen. Diese Erfolge benötigen allerdings einen immensen juristischen, zeitlichen und finanziellen Aufwand!

Die Folgen

Es gibt nicht viele Gefühle, die schlimmer sind, als der Polizei wehrlos ausgesetzt zu sein. Das Gefühl, ohne Möglichkeit auf Wiedergutmachung der Willkür von Staatsangestellten ausgesetzt zu sein und dadurch womöglich sogar Verletzungen davongetragen zu haben, wird in Euch tiefe Wut hinterlassen. Umso wichtiger ist es, sowohl als Opfer, als auch als Zeuge von Polizeigewalt sofort die BLAUE HILFE aufzusuchen.

Zusammenfassung:
Hierbei kann Euch die BLAUE HILFE unterstützen

Solltet Ihr selbst Opfer von Polizeigewalt sein, kommt direkt auf uns zu! Zusammen mit unseren Anwälten überlegen wir uns, wie am besten gegen die Polizei vorgehen können.

Auch als Zeuge sollt Ihr Euch schnellstmöglich bei uns melden. Darüber hinaus solltet Ihr uns auch – wenn vorhanden – die Adressen oder Telefonnummern von weiteren Zeugen übergeben. Wir übernehmen dann zusammen mit unseren Anwälten die Koordination der verschiedenen Zeugenaussagen und die Sammlung von Beweisen.

Wie bereits erwähnt benötigt Ihr beim Vorgehen gegen die Polizei einen langen Atem. Als Solidargemeinschaft, die von ehrenamtlicher Arbeit und der Unterstützung durch Anwälte lebt, haben wir das Know How und die finanziellen bzw. zeitlichen Ressourcen, die für das Vorgehen benötigt werden.